Ilario Ferrari Trio - Childhood Memories

Heute möchte ich euch ein Album vorstellen, das einerseits geeignet ist, um dem Winterblues zu entkommen, andererseits, um sich Jazz anzunähern bzw. Jazz neu zu entdecken. ‘Childhood Memories’ heißt es, stammt vom Ilario Ferrari Trio und ist eine Mischung aus experimentellem Jazz, moderner Klassik und Yogakissen in einem. Yogakissen? Well…

“In the past year, in moments of Solitude and Introspection, memories came forth to teach me, to inspire me, and sometimes they knocked, like asking if I really let go or I still hold some resistance towards experiences of the past.” Ilario Ferrari Photocredits: Oliver Bowring

Das Album nimmt uns mit in eine unbeschwerte Zeit im Süden Italiens. Ilario Ferrari wird bewegt durch den Wunsch, Erinnerungen aus der Kindheit in musikalische Kompositionen zu verpacken und haltbar zu machen, entstanden damals doch so intensive Erfahrungen. Sorgfältig wählte man sieben davon aus, wunderschöne, aber auch herausfordernde Momente, die universeller Natur waren und so den Zuhörer berühren konnten.

Der leitende Kopf Ilario Ferrari ist ein italienischer Pianist und Komponist. Nachdem er seinen Bachelor in Jazz Piano abgeschlossen hatte, gewann er ein Stipendium ‘Working With Music’, das ihm 2015 erlaubte, in die UK zu ziehen und in Londons Jazz Szene einzutauchen. Dort arbeitete er während seiner musikalischen Fortbildung mit mehreren Ensembles zusammen ( u.a. Ondanueve String Quartet, London Gay Big Band). Sommer 2020 war es für ihn dann an der Zeit, den nächsten Schritt in Richtung Soloprojekt zu gehen. Eine gemeinsame Freundin der drei Musiker zog die nötigen Fäden für ein erstes Kennenlernen. Charlie Pyne sitzt am Kontrabass und ist die gebürtige Britin des Trios. Geboren in Hitchin, macht sie sich in der Musikszenen durch das Hitchin Light Orchestra und Herts County Music Services früh einen Namen. Katie Patterson stammt aus Kanada und haut ziemlich gewagt und elegant auf das Schlagzeug. Sie gewann bereits einige Auszeichnungen, 2014 u.A. als beste Newcomerin im Jazz. Ihre Art Schlagzeug zu spielen kommt bei den Zuhörern eben gut an. Zusammen balancieren sie irgendwo zwischen moderner Klassik und meditativem Jazz. Die Dynamik der drei entwickelte sich schnell zu einer natürlichen Sache. “We started rehearsing and the synergy between us grew more and more every rehearsal (although I admit it felt like we always played together since the first rehearsal).

Katie Patterson Phtotcredit: Oliver Bowring

Die ersten Melodien und Tonstrukturen entwarf Ferrari selber, den Feinschliff erhielten die Klangperlen jedoch in Zusammenarbeit mit den Ladies. Es wurde eine ‘Sound Map’ erstellt, ähnlich wie ein Mood Board, das die Richtung mit möglichst viel Freiheit und Flexibilität vorschrieb. Improvisationen hatten ihren Raum, genauso wie vorstrukturierte Kompositionen. Es floss ineinander ohne überladen zu wirken.

I have drawn for them a sound Map that I had in mind, where certain sounds had to flow from one tune to another, inspired by the elements of Nature and certain archetypal images. Katie has realised most of them playing with various percussions and Charlie with effects on double bass.” Ferrari

Nach einem erfolgreichen Live Streaming Konzert im Januar dieses Jahres war dann für die drei klar: hieraus muss ein Album werden. Es ging ins Masterchord Studio in London. Ronan Phelan leitete die Aufnahme, Miles Ashton mixte sie. Veröffentlicht wurde ihr Album Mitte November mit einem wunderschönen Cover von Charlie Pyne.

Charlie Pyne Phtotcredit: Oliver Bowring

Und jetzt kommen wir wieder zum Yoga Kissen. Die Musik des Trios klingt durch die Bank weg verträumt, romantisch und ein klein wenig wie auf einer Meditations-CD. Das Gefühl von rauschenden Wasserfällen und Mittelmeer Klima macht sich breit.

Dem Song Colour Games zuzuhören ist, als ob man Licht zuhören würde. Ein sehr dominantes Klavier führt mit einer wunderschönen Melodie als Hauptthema durch die Perle, gefühlt bewegen wir uns in der Klassik. Begleitet wird es von Perkussion Geräuschen, die wie Bachquellen klingen. Einmal Mittelmeer To Go, bitte. Die Single Apart hat da einen ähnlichen Effekt. Das Klavier spielt die Hauptfigur auf dem Album. Ferrari spielt es mit einer Leichtigkeit, die der Melancholie der Perlen die Schwere nimmt. Außerdem ist da durchweg das Gefühl von Licht auf der Haut, nur in den Ohren. Genauso wie in Summer Lullaby. So leicht kann das Leben sein. Ein zartes Badabadada im Hintergrund unterstreicht den Ausflug in die Ferne. Wenn das nicht Trübsal vertreibt, weiß ich auch nicht. Youth Waltz wirkt wie ein unbekümmerter Spaziergang durch die Hood mit seinen Homies. Ganz nach dem Motto, was kostet die Welt? Mit Sharing and Friendship sitzt man dann entspannt zusammen im Schatten der Olivenbäume und genießt schweigend die Siesta. Dolce far niente. Ein spannendes Lied ist Playground. Es ist ein wilder Song mit Tempo und vertrauten Jazzelementen und chaotischen Ausbrüchen. Auf so einem Spielplatz ist halt immer Aktion und Kinder unberechenbar. Da kommen schon mal Erinnerung an eigene Sandbuddelaktionen hoch. Das Portrait Mediterranean People nimmt einen spätestens jetzt in den Süden mit. Gemalt werden verschiedene Portraits, man spürt richtig diese Sehnsucht nach der Heimat. Experimentell starke Soli und eine wunderschöne und verträumte Melodieführung machen dieses Lied zum stärksten des Albums.

Die Musik vom Ilario Ferrari Trio ist eine sehr helle, so als ob sie versuchen würden, die Sonne Italiens einzufangen. Jazz ist ja oft eine sehr laute und chaotische Angelegenheit. In ihrem Fall hat man eher das Gefühl eines Schmetterlingsschwarms, der durch Haine von Olivenbäumen tobt. Bodenhaftung bleibt aber durch den Kontrabass erhalten. Es ist eine Reise nach Italien, eine kleine Auszeit von der Welt geworden mit dem Prädikat ‘besonders wertvoll’.

Listen and Dream

Zurück
Zurück

JuJu - La Que Sabe

Weiter
Weiter

Tristesse - Im schwächsten Licht