Paul Gerlinger - Gut Allein
Darf ich vorstellen? Paul Gerlinger, DIE neue Lyriker Seele in der Musikwelt. Er ist jemand, den ich gerne in einem Atemzug mit Gisbert zu Knyphausen und Thees Uhlmann genannt haben möchte. Ein begabter Wortkünstler mit dem Hang zur musikalischen Untermalung.
Seine spröde, tiefe Stimme erinnert an zu viele durchphilosophierte Nächte mit Wein und Zigaretten und an einen anderen deutschen Künstler. Aber Gerlinger sitzt nicht am Klavier, sondern hinter der Gitarre. Und das passt hervorragend.
Bei all den dichterischen Zeilen verwundert es nicht, dass neben seinen beiden Großvätern auch Lyriker Eugen Roth zu seinen Vorbildern zählt.
"Einer meiner Großväter hat mir schon früh Roths Gedichte nähergebracht, der andere ist ein gottgleicher Pianist. Auch der Rest meiner Familie ist sehr musik- und sprachaffin", so Gerlinger.
Also begann er als Kind schon die ersten Gedichte zu schreiben. Da ihm das Klavier zu spießig war, trat er erst im rebellischen adoleszenten Alter mit einer Gitarre in die Musikwelt ein. Der Aufstieg und eigene Songs folgten unweigerlich.
Jetzt erschien seine Debüt-EP "Gut Allein" unter dem Label ‘Bube Dame König Artist’ mit sechs wunderbaren, kunstvollen Perlen. Es ist eine bewusst analoge Produktion geworden, voll mit Arrangements von Gitarre, Piano, Streichinstrumenten und Posaune. Alles dafür da, seine gesungenen Gedichte gekonnt zu untermalen. Aber es bleibt dennoch einfach, fast minimalistisch. Denn es kommt aufs Wesentliche an: seine Stimme und seine Texte.
Paul Gerlinger erscheint geerdet und schon ziemlich reif mit seinen 25 Jahren. Sein Grundtonus ist die (Liebe zur) Melancholie. Da er diese mit Wortwitz und Zynismus würzt, versinken wir nicht hoffnungslos in ihr. Doch es ist ein Album voll Herzschmerz und Traurigkeit geworden.
Zweifelsfrei Einsamkeit in Person
Und über allem hängt die Einsamkeit, immer diese Einsamkeit. Gerlinger, lässt keinen Zweifel daran, dass er diese wie eine zweite Haut angelegt hat. Im Lied Gut allein betont er sehr ausführlich, dass er “schon immer gut allein” sein konnte. Er sei “zweifelsfrei Einsamkeit in Person”. Obwohl dies oft Anlass zu einer traurigen Melodieführung darstellt, hat die Perle einen netten Schwung, richtig gut zum Mitwippen. Die Laune ist noch bestens, obwohl bereits die ersten Zweifel aufkeimen.
Das sieht beim nächsten Lied Bandstillstand schon ganz anders aus. Es ist so wunderschön geworden, so wunderschön ehrlich und traurig, tief tief traurig. Wir fühlen mit ihm mit, wenn er singt: “Das Band steht still, weil keiner mehr will….wir wissen ganz genau, was fehlt, doch weil keiner aufsteht und geht, bleiben wir unzufrieden liegen” Ich kann mir vorstellen, dass die meisten Menschen dort schon mal waren.
Es folgt das Lied Kein Tag. Ein Werk, das entsteht, wenn der Abend wieder etwas länger geworden ist und in philosophische Stunden mündet. Auch hier berühren die ehrlichen Zeilen, in denen ich mich mehr als einmal wiederfinde. “die Pläne sind gemacht, aber nicht sehr gut durchdacht” Er schafft es, dies mit einer Nonchalance und Nüchternheit zu beklagen, dass eine ganze Hörerschaft zustimmend nicken würde.
Träume ist wieder ein Lied, das vor Traurigkeit nur so trieft. Während ich mich frage, wie tief ein Mensch eigentlich singen kann, lausche ich seiner hoffnungslosen Traumaufzählung zu. “Träume von wir, Träume von uns…” Wir ahnen, dass es bei Träumen bleiben wird. Luft ist dann wieder etwas leichter und ein hervorragendes Beispiel für seine Lyrikbegabung. Er schafft es mit Worten und Noten gleichzeitig zu spielen. “Mein Sauerstoff ist Luft für dich”, singt er und “wenn ich das ähnlich sehe, schrieb ich dieses Lied für dich bestimmt gerade nicht”. Die Beziehung ist nun endgültig zu Ende.
Aber es gibt Hoffnung, denn das letzte Lied der EP erzählt vom Beginn einer neuen Liebe. Richtig ungewohnt, nach all dem Herzschmerz, der, ohne ihm jetzt zu nah treten zu wollen, ihm irgendwie besser stand. Für ihn ist es ebenfalls ungewohnt, dieser neue Keim der Liebe. Als würde er sich erst wieder daran gewöhnen müssen, dass die Sonne scheint. Er ist eben doch ein hervorragender Motor für kreative Ergüsse, dieser alte Freund Herzschmerz. Und wenn dann noch so wunderschöne Klangperlen dabei herauskommen, ein Grund mehr für einen melancholischen Abend.
“Wäre ich jetzt du, würd ich wohl bleiben”, singt er. Alles klar, Paul, wir bleiben…
Listen and Repeat